Die einen gehen ins Home-Office, die anderen haben erhöhten Einsatz unter erhöhtem Risiko: Beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Ostwestfalen-Lippe in Bielefeld müssen die Mitarbeitenden enorm aufpassen und sich ständig auf neue Entwicklungen einstellen.

Bei der neuen Geschäftsstelle des ASB in Bielefeld gibt es jetzt eine Corona-Schnellteststation. An einem Schild zur Einfahrt stehen die Instruktionen: „Nur mit Termin. Bitte im Auto sitzen bleiben.“ Am Gebäude herum um die Kurve ist die Zufahrt. Eine Sanitäterin in Schutzkleidung wie bei einem Weltraumeinsatz steht bereit, um am offenen Autofenster die Probe zu entnehmen. Zuvor hat Sanitäterin Joyce Pankoke bereits die Daten aufgenommen.

Selbstzahler, Corona-App, übers Gesundheitsamt oder via „Gutschein“ eines Lehrerpersonals, der Grund für einen Test ist zwar immer ein Corona-Verdacht, die Wege ins Test-Drive-In jedoch sind vielfältig. „Das alles muss aufgenommen werden, damit wir auch wissen, ob die Rechnung selbst oder von jemanden anderen bezahlt wird“, erklärt Michael Mausolf. Er behält als Einsatzleiter die verschiedenen Entwicklungen für sein Team im Blick. Kein einfaches Unterfangen bei dem Tempo an Veränderungen: „Nach dem Stand vom 9. November haben sich die Bestimmungen schon bestimmt 13 Mal verändert“, schätzt der Bielefelder. Hinzukäme, dass die Handlungsvorgaben von Stadt zu Stadt, Kreis zu Kreis und Gesundheitsamt zu Gesundheitsamt unterschiedlich seien.

Seit Ende Oktober betreibt der ASB neben dem städtischen Testzentrum dieses zusätzliche Testangebot an seiner Geschäftsstelle an der Schillerstraße. Nach den Herbstferien gab es aufgrund der Reiserückkehrer einen hohen Testbedarf. Die Reisen sind weggefallen, der Bedarf ist geblieben. Die Arbeitswege haben sich jedoch bereits verbessert, um dem hohen Aufwand gerecht zu werden, auch wurde mehr eingestellt: „Wir haben zuerst viele Anfragen telefonisch über die Zentrale bearbeitet“, berichtet Nadine Engel-Fratz vom ASB. Dieser Aufwand sei aber schwierig zu gewährleisten gewesen.

Mittlerweile gebe es über Corona-Spenden ein neu eingerichtetes digitales Tool, das viele Fragen bereits vorab beantwortet und Termine digital vergibt. „Wählen Sie Ihren Test-Anlass“, heißt es auf der Homepage, der User wird von Frage zu Frage weitergeleitet. Die Digitalisierung ist durch Corona auch beim ASB-Bielefeld beschleunigt worden.

Mehr Angst im Bus als bei der Arbeit

Ein Fahrradfahrer kommt ins Test-Drive-In gefahren, auch das gibt es. Die Sanitäterin Joyce Pankoke empfängt ihn: „Warum wollen Sie sich testen lassen?“, fragt sie. „Ich hab Kontakt gehabt.“, antwortet der Fahrradfahrer. „Also zahlen sie selbst?“, der Patient zeigt sein Handy, die Corona-App leuchtet rot – naher Kontakt zu einem Infizierten. Das bedeutet, die Krankenkasse übernimmt. Pankoke nimmt die Daten auf und holt das Einverständnis ein, das Testergebnis digital abrufen zu können. Anschließend reicht sie den Bogen bei einem weiter hinten stehenden Einsatzfahrzeug durch das Fenster. Hier nehmen Mitarbeitende die Daten entgegen und tragen sie in mit Nummer im Computer ein. Die Übermittlung ans Labor und Gesundheitsamt, auch das läuft jetzt digital. Vorher seien Datenübermittlungen sogar teilweise noch über Fax gelaufen, weiß Mausolf.

Vier bis fünf Kontakte am Tag hat Joyce Pankoke nach eigener Einschätzung zu positiv Getesteten. Bei ihrer Arbeit empfinde sie keine Angst – sondern Respekt: „Wir haben Schutzkleidung und sind im Umgang mit den Infizierten geschult worden.“ Größere Angst hätte sie im öffentlichen Raum, im Bus oder im Lebensmittelgeschäft. Dennoch schränke sie sich im privaten Umgang ein, „wie es jeder machen sollte“ und spüre eine leicht höhere Arbeitsbelastung. Es gebe etwas mehr Überstunden. Aber generell hätte sich die Arbeit eher verlagert: „Früher war ich öfter bei Veranstaltungen im Einsatz, jetzt mache ich oft Abstriche“, erklärt die Bielefelderin.

Der Patient auf dem Fahrrad soll weiterfahren zur tatsächlichen Teststation, da zieht gerade ein Sanitäter die zweite Schicht Handschuhe über, bevor er das Teströhrchen in die Hand nimmt. Neben dem Ganzkörperoverall und der Schutzbrille trägt er ebenfalls eine FFP2-Maske. „Mund auf“, sagt er zum Patienten und „es wird jetzt etwas unangenehm.“ „Das wars schon?“, fragt der Getestete danach ungläubig. „Wir testen hier im Mund“, erklärt Einsatzleiter Mausolf, weil das Ergebnis über den Nasentest nur minimal genauer aber dafür maximal unangenehmer sei.

Der Sanitäter zieht seine oberen Handschuhe wieder aus, desinfiziert das Paar darunter und zieht neue darüber. In Zeiten der Pandemie benötigen die Mitarbeitenden ein Vielfaches an Schutzbekleidung. „Der Engpass an Schutzkleidung war im März ein Problem“, erinnert sich Mausolf. Damals habe er einen großen Teil seiner Arbeit darauf verwendet, Masken zu besorgen. Mittlerweile sei man an dem höheren Bedarf gewöhnt.

Die Erfahrungen hat auch Nele Tiemann, die Leiterin des ambulanten Pflegedienstes, gemacht: Man sei „mit der Pandemie gewachsen“ und auf vieles eingestellt gewesen. Nur an Schnelltests mangele es gerade. Nach einer Verordnung für die Arbeit mit alten Menschen müssten jetzt sogar regelmäßig eigene Schnelltests gemacht werden, dafür gab es sogar eine Schulung für die Mitarbeitenden, aber akut seien die Tests kaum lieferbar. Zudem gingen die Testvorgaben zu Lasten der Einrichtungen. Schließlich gebe es kein zusätzliches Testpersonal, auch würde zwischen Abstrich und Ergebnis Zeit vergehen.

Katharina Hustermann vor einer Dienstfahrt: Der Aufenthaltsraum vom Ambulanten Pflegedienst ist durch die Pandemie zur reinen Packstation geworden. © Annabell Fugmann

Ein Lächeln ist unter der Maske schlecht erkennbar

Die Leiterin zeigt die Materialschränke im sonstigen Aufenthaltsraum des ambulanten Pflegedienstes. Der Medikamenten-Schrank ist abgeschlossen, hier lagern auch die vorrätigen Tests. Derzeit nutzen die Mitarbeitenden den Raum eher als Packstation für die nächsten Patienten, zu denen sie fahren, als für einen Aufenthalt. Rainer Schwede packt gerade seine Tasche, ebenfalls mit FFP-2-Maske im Gesicht.

„Wir haben die Regelung getroffen, dass man sich untereinander nicht mehr so sieht“, erklärt Tiemann. Dementsprechend würden momentan keine Teambesprechungen stattfinden sowie generell weniger Austausch. Dienstbesprechungen seien zum Teil online, aber nicht alle Pflegekräfte seien für diese Art der Kommunikation zugänglich. Dass die Kommunikation im Team wegfalle, sei schwierig: „Das Team wächst normalerweise durch den Austausch untereinander, man merkt schon, dass sie es vermissen“, sagt Tiemann. Insgesamt seien die Mitarbeitenden bei dem Umgang mit den alten Patienten von einer Angst begleitet, sie anzustecken, weshalb sie im Privaten und im Beruf vorsichtig seien.

Und die Senior*innen?  Sie hätten viel Verständnis aber auch dieser Kontakt sei jetzt von Einschränkungen geprägt, erläutert Tiemann. Der Pflegedienst lebe auch von einem sozialen Miteinander, ein Lächeln sei jedoch unter der Maske schlecht erkennbar. Insgesamt sei die Arbeit stark eingeschränkt. Ein Trostpflaster in diesen schwierigen Zeiten mag wohl der Corona-Bonus gewesen sein, den der ASB an die Mitarbeitenden im vollen Umfang ausgezahlt hat. Dass langfristig durch die höhere Aufmerksamkeit in der Finanzierung der Pflege spürbare Verbesserungen folgen, die eine höhere Entlohnung in den Pflegeberufen zur Folge haben, daran glaubt Tiemann persönlich aber nicht.


Das Verbandsmagazin "Corona-Spezial II" des Paritätischen Gesamtverbandes © Der Paritätische

Dieser Artikel ist im Verbandsmagazin "Corona-Spezial II" des Paritätischen Gesamtverbandes erschienen.

Zum zweiten und hoffentlich letzten mal widmet sich die erste Ausgabe des aktuellen Verbandsmagazins des Paritätischen der Corona-Pandemie. Stand unser erstes Heft zum Thema noch unter dem Stern der Unsicherheit, wie die Wohlfahrt mit der neuen Situation umgehen könnte, wollen wir nun verstärkt auf Erfolge und Lernprozesse blicken.

Wir ziehen ein Zwischenfazit und werfen einen besonderen Blick auf die Pflege, die noch einmal ganz besonders von COVID-19 herausgefordert wurde. Dem Gesundheitssektor widmen wir uns besonders, daher gibt es Reportagen und Berichte aus unsere Mitgliedsorganisationen Lebenshilfe, ASB, Das Boot Wismar, das Familenzentrum Radebeul und der Deutschen Rheuma-Liga. Außerdem haben wir einiges aus der Selbsthilfe, den Jugendherbergen und den Kitas erfahren sowie Behindertenrechtsaktivistin Nancy Poser interiewt.

Außerdem berichten wir unter anderen über unsere große Kampagne für die sofortige Anhebung der Regelsätze auf 600 Euro plus weiteren Leistungen,von Vielfalt ohne Alternative und zu vielen weiteren Themen aus dem Gesamtverband.

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Autor*in

Annabell Fugmann

Annabell Fugmann ist selbstständige Journalistin.

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