Am 5. und 6.11.2020 findet die Konferenz "48 Stunden Vielfalt ohne Alternative – online!" statt. Die zweitägige Veranstaltung richtet sich an alle sozialen Organisationen und Initiativen, die sich gegen rechts positionieren und gemeinsam aktiv werden wollen. Die Konferenz wurde innerhalb des Projekts „Beratung gegen Rechts“ des Paritätischen Gesamtverbandes von Christian Weßling entwickelt. In diesem Interview erfahren wir, wie dringlich die Beratungsangebote benötigt werden und wie es zu der Idee der Konferenz kam.
Du hast mit dem Projekt „Beratung gegen Rechts“ seit seinem Start Anfang vergangenen Jahres einiges an Erfahrungen sammeln können. Welchen Bedarf siehst du aktuell bei sozialen Organisationen sich Unterstützung für den Umgang mit demokratiefeindlichen Praktiken einzuholen?
Ich bin zunächst sehr begeistert von den vielen Menschen aus den Mitgliedsorganisationen und dem Verband selbst, die bereits aktiv sind und im beruflichen Alltag wie im Privaten großes Engagement zeigen. Das Interesse an der aktiven Auseinandersetzung mit Ideologien der Ungleichwertigkeit ist riesengroß, auch unabhängig von konkreten Problemstellungen im eigenen Umfeld. Der Wunsch, sich aktiv einzusetzen, ist sehr stark.
Mein Eindruck ist auch, dass die im sozialen Bereich tätigen Menschen unter großem individuellen Druck stehen. Es gibt nirgendwo große Kapazitätsreserven, alles ist on point geplant. Für Situationen, die nicht mit den normalen Konfliktlösungsmechanismen geregelt werden können, kann die Belastungsgrenze ganz schnell überschritten sein. Die Anforderungen, die durch menschenfeindliche Haltungen und Handlungen entstehen, sei es in der Arbeit mit Klient*innen, im Kreis der Kolleg*innen oder von außen, sind vielfältig und meist nicht trivial zu lösen.
Ich denke, es ist wichtig, bedarfsorientierte Unterstützung anzubieten. Die Bereitstellung von Beratungsleistungen für akute Problemsituationen gehört ebenso dazu wie Bildungs- und Qualifizierungsformate, die auf die Zielgruppen und die unterschiedlichen Ansprüche zugeschnitten sind. Mit Programmen nach Schema F werden wir den sehr individuellen Bedürfnissen nicht gerecht.
Hinter der Konferenz „48 Stunden Vielfalt ohne Alternative“ steht eine klare Vision. Wie lautet diese und wie kam es zu der Idee?
Mit dem Konferenzformat gehen wir auf ein Bedürfnis ein, das von vielen geäußert wird: Im Einklang mit dem eigenen Selbstverständnis und Selbstbild, für soziale Teilhaberechte und eine Kultur des wechselseitigen Respekts in einer demokratischen und solidarischen Gesellschaft aktiv zu werden und klar Haltung beziehen gegen jene, die auf Spaltung und Ausgrenzung setzen.
Ein Format zu kreieren, welches an den Erfahrungen und Interessen sozialer Organisationen ansetzt und die Erarbeitung gemeinsamer Handlungsmöglichkeiten in den Mittelpunkt stellt, war da nur logisch. Wir werden am 5. und 6. November nicht bei Bestandsaufnahme und Analyse verharren, sondern ganz konkrete und auf die Alltagspraxis bezogene Anwendungen erarbeiten. Wir gehen als vorbereitendes Team natürlich mit eigenen Vorstellungen und auch Vorschlägen rein, aber was dabei herauskommt, liegt vor allem in der Hand der Teilnehmer*innen – ich bin sehr gespannt!
Am Anfang stand die Idee, mit vielen Menschen in Berlin an einem Ort einen Raum der Vielfalt zu schaffen, in dem neben Austausch und gemeinsamer Diskussion auch das gegenseitige Kennenlernen Face to Face im Mittelpunkt steht. Das geht zur Zeit zu meinem größten Bedauern leider nicht.
Wir alle haben aber in den vergangenen Monaten immens viel dazugelernt, was das kooperative Arbeiten per Videoplattform angeht. Wir werden das Gelernte anwenden und die Möglichkeiten und darin enthaltenen Vorteile optimal ausnutzen. Die Kolleg*innen von #GleichImNetz, die mich bei der Planung und Durchführung unterstützen, haben einiges in ihrer Trickkiste – ihr werdet überrascht sein, was alles möglich ist!
Die Konferenz bietet viele Möglichkeiten des Austauschs und der Kooperation. Welche Rolle spielt die Idee des „Gemeinsam aktiv werden“ für die Zukunft der Arbeit sozialer Organisationen?
Ich bin überzeugt, dass wir uns gerade die Möglichkeiten aneignen müssen, die in der digitalisierten Vernetzung liegen. Wir erfahren mehr voneinander, können einfacher und spontaner auch über große Distanzen zusammenarbeiten. Bezogen auf die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und AfD bedeutet das: Niemand soll künftig alleine dastehen, wenn Rechte unsere Werte in Frage stellen; wenn AfD und Co. versuchen, Soziale Arbeit zu delegitimieren und Einzelne von uns in die Ecke zu drängen. Es gibt Möglichkeiten, dem effektiv zu begegnen, wir können darin wunderbar voneinander lernen!
Formate wie „48 Stunden Vielfalt ohne Alternative – online!“ sind das Versuchslabor für solche Ansätze, wodurch die Erfahrung kooperativer Prozesse greifbar und anschaulich gemacht werden. Das lohnt es weiter zu erforschen und zu vertiefen.
Wann: Am 5. und 6.11.2020
Wo: Online per Zoom
Wer: Haupt- und Ehrenamtliche aus allen Gliederungen des Paritätischen und seiner Mitgliedsorganisationen