Als unbedarfte Betrachterin konnte man sich schon die Augen reiben, wenn man in den letzten Tagen auf Social Media unterwegs war. Hat der Bundestag am Freitag wirklich die Kategorie “Frau” abgeschafft und frequentieren Männer jetzt massenhaft Frauensaunen? Mitnichten. Er hat das sog. Selbstbestimmungsgesetz nach zähem Ringen endlich verabschiedet. Nun kann es zum 1. November diesen Jahres endlich in Kraft treten und erleichtert Trans*-Menschen das Leben. Zeit für eine Einordnung aus Sicht der Wohlfahrt.

Worum geht es in aller Kürze bei diesem Gesetz? Das Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG), so der amtliche Titel, löst zunächst einmal das diskriminierende und in Teilen verfassungswidrige “Transsexuellengesetz” ab. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz wird es für transidente Menschen leichter, ihren Vornamen und Geschlechtseintrag nun beim Standesamt zu ändern, ohne vorher den Gerichtsweg beschreiten zu müssen, eine beschämende Prozedur über sich ergehen zu lassen und viel Geld zahlen zu müssen (Weitere Fragen beantwortet der LSVD). Der Paritätische begrüßte das Gesetzesvorhaben bereits im Mai 2023 in einer Stellungnahme.

Gezielt wurden aber auch Panik vor dem neuen Gesetz geschürt. Trotz häufig bewusster Falschmeldung hat das SBGG ausdrücklich nichts mit den medizinischen Aspekten der Transition zu tun. Diese lag und liegt immer noch in den Händen der Ärzt*innen und ist nicht in diesem Gesetz geregelt. Auch die regelmäßig beschworene Gefahr, dass nun Männer sich einfach zu Frauen deklarieren können, um übergriffig zu werden, ist regelrecht absurd. Männer, die Frauen – ob in ihren Schutzräumen oder außerhalb – belästigen wollen, verüben ihre verabscheuungswürdigen Taten schon immer und mussten sich dafür niemals der Prozedur einer Vornamensänderung aussetzen.

Darüber hinaus stehen die meisten Frauenschutzräume schon seit langem potentiell auch für Trans*Frauen offen, wenn sie Gewalt durch Partner*innen erfahren. Das entscheiden seit jeher die Mitarbeiter*innen vor Ort im Einzelfall. Diese Praxis hat sich bewährt. Die Frauenhauskoordinierung sieht auch aufgrund ihrer Erfahrung keinerlei Gefahr in ihren Häusern und sprach sich für das Gesetz aus.

Auch Erfahrung in anderen Ländern zeigen, dass die Idee eines “Geschlechterhoppings” weit hergeholt ist. Ähnliche Gesetze wie bald in Deutschland gibt es schon lange in Argentinien, Malta, Dänemark, Luxemburg, Belgien, Irland, Portugal, Island, Norwegen, Uruguay und der Schweiz, wie der LSVD aufzählt und es gibt kaum Personen, die mehr als einmal ihren Vornamen ändern.

Der Entwurf war in seiner ersten Fassung noch stark verbesserungswürdig. Der BV Trans* listet in einer Pressemitteilung zahlreiche Punkte auf, die nach massiver feministischer Kritik nicht mehr in den finalen Entwurf gelangten. Die automatische Weiterleitung an Daten an Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden wurde gestrichen und eine Verschlechterung für Trans*Eltern wieder zurückgenommen. Einiges wurde aber auch nicht zurückgenommen. Weiterhin enthalten ist eine Klausel, dass im Falle eines Krieges das Gesetz keine Anwendung findet. Weiterhin enthalten ist die Möglichkeit, immer noch über das Hausrecht Trans*-Menschen den Zugang verweigern zu können. Unter dem Strich zeigte sich aber auch der Bundesverband Trans* zufrieden.

Ein Punkt treibt uns jedoch weiterhin um. Teil des Gesetzes ist eine Erklärung minderjähriger Personen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben. Sie sollen erklären, dass sie beraten sind, so die umständliche Formulierung. Laut Gesetzestext kann die Beratung insbesondere auch durch öffentliche und freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe erfolgen. Was bedeutet das aber nun? Die Formulierung steht nicht im Passiv, unklar ist derzeit, ob es hier um eine reine Informationspflicht- oder aber um eine reale Inanspruchnahme von Beratung vor Ort geht. Ein Schein oder Nachweis muss anscheinend nicht erbracht werden. Das ist wichtig. Eine Begutachtung durch die Hintertür darf nicht kommen und ist gar konträr zum Sinn des Selbstbestimmungsgesetzes. Wie diese Regel in der Praxis von den Standesämtern umgesetzt wird, muss aus Sicht des Paritätischen definitiv menschenrechtskonform im Sinne der Selbstbestimmung erfolgen.

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Portrait von Katrin Frank und Philipp Meinert

Katrin Frank und Philipp Meinert

Katrin Frank ist Referentin Familienhilfe /-politik, Frauen und Frühe Hilfen. Philipp Meinert ist Referent für Presse und Redaktion.

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