Nicht nur der Paritätische Gesamtverband wurde in diesem Jahr 100 Jahre alt. Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege wird in diesem Jahr dreistellig und feierte das in Berlin mit viel politischer Prominenz und Menschen aus den Einrichtungen der Wohlfahrt.
Weniges trennt, aber das meiste verbindet sie: Caritas, Diakonie, AWO, Deutsches Rotes Kreuz, die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland und – natürlich – der Paritätische Gesamtverband. Sie sind die sechs Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Deutschland. Sie kommen aus unterschiedlichen weltanschaulichen und politischen Traditionen und sind vereint in ihrer Arbeit für Menschen, die Hilfe benötigen. Organisiert sind sie in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, kurz BAGFW. Und die feierte am 10. Dezember in Berlin ihren 100. Geburtstag.
Michael Groß, AWO-Präsident und bis Ende des Jahres zusätzlich noch Präsident der BAGFW, eröffnete die Feierlichkeiten. Er richtete sein Wort an den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, der ebenfalls an der Veranstaltung teilnahmen. Er danke ihm für sein Kommen und sah darin eine Respektbekundung für die fünf Millionen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen in den Einrichtungen und Diensten der Freien Wohlfahrtspflege. Ebenfalls begrüßte Groß Bundesministerin Lisa Paus und diverse Repräsentant*innen der Bundesregierung und sprach Grüße und Dank an die jeweiligen Ministerien aus. Die Zusammenarbeit sei gut und vertraut, wenn auch nicht immer im Ergebnis zur Zufriedenheit der Wohlfahrt, fügte Michael Groß hinzu. Aber daran würde man weiterarbeiten. Anschließend betonte der Präsident die Rolle der Wohlfahrt und der Gemeinnützigkeit für die krisengeschüttelten Gesellschaft. „In diesem Sinne freue ich mich heute, nicht nur unseren Geburtstag feiern zu können, sondern auch deutlich machen zu können, dass wir gebraucht werden“, schloss Groß seine Rede.
Anschließend kam Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an das Pult. Er berichtete von einem unmittelbar zuvor getätigten Besuch in einer Einrichtung der Caritas, welche ihn tief beeindruckt habe. Der Bundespräsident dankte allen Mitarbeiter*innen in der Wohlfahrt: „Lassen sie uns die Gelegenheit nutzen all denjenigen zu danken, die andere pflegen, begleiten, trösten und fördern.“ Sie alle würden helfen, die Gesellschaft ein Stück weit menschlicher zu machen. Im Weiteren betonte Steinmeier die historische Rolle der einzelnen Wohlfahrtsverbände und die der BAGFW als ihrer Dachorganisation, in welcher trotz Unterschiedlichkeiten gemeinsame Positionen erarbeitet werden würden, um mit einer Stimme zu sprechen. Außerdem lobte Frank-Walter Steinmeier den interkulturellen Dialog mit den muslimischen Verbänden, der gerade jetzt wichtig wäre.
Für den nächsten Programmpunkt betragen Lisa Paus und Achim Meyer auf der Heyde die Bühne. Letzterer wurde wenige Tage zuvor zum neuen Vorsitzenden des Paritätischen Gesamtverbands gewählt und übernimmt ab 2025 in dieser Funktion auch den Vorsitz der BAGFW. Auf die Frage der Moderatorin Katie Gallus nach der Bedeutung der Freien Wohlfahrtspflege in Deutschland antwortete die Familienministerin, dass man diese gar nicht hoch genug einschätzen könne. „Deutschland ohne die Freie Wohlfahrtspflege ist nicht zu denken, wenn wir an den deutschen Sozialstaat denken“, so Paus. Und 100 Jahre Freie Wohlfahrtspflege hätten Deutschland gut getan, findet sie.
Vor erheblichen Herausforderungen sieht Herr Meyer auf der Heyde die Wohlfahrt. Der Sozial-ökologische Wandel, der Fachkräftemangel und das zunehmend menschenfeindliche Klima in der Gesellschaft träfen die Wohlfahrtspflege im Besonderen. Des Weiteren hob er die Rolle des Subsidiaritätsprinzips hervor: „Schon vor 100 Jahren war klar: Markt und Staat richten es nicht alleine.“ Man sei gezwungen, sich weiterzuentwickeln und neue Konzepte entwickeln, aber auch wieder stärker mit seinen Leistungen in das öffentliche Bewusstsein treten, so Meyer auf der Heyde. Mit Ausblick auf die Zukunft betonte der Paritätische Vorsitzende die Herausforderungen und die Chancen von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz. Diese könnten auch einige Prozesse erleichtern. Jedoch stellte Achim Meyer auf der Heyde auch fest, dass Zuwendung nur durch Menschen und nicht durch Roboter gewährleistet werden können.
In einem letzten Block kamen diejenigen zu Wort, die Tag für Tag in den Einrichtungen für Menschen da sind und helfen. In einem kurzen Einspielerfilm wurden sechs Mitarbeiter*innen aus jeweils einer Einrichtung der Spitzenverbände portraitiert und in ihrem Alltag begleitet. Für den Paritätischen Gesamtverband war dies Astrid Leicht, Geschäftsführerin der Berliner Drogenberatungsstelle Fixpunkt, die anschließend auf der Bühne Rede und Antwort stand. Sie berichtete von ihrer Arbeit vor Ort bei denen, die Drogen konsumieren, wie etwa im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg. Neben der konkreten und perspektivischen Hilfe sei die gesellschaftliche Verantwortung für Drogenkonsumierende wichtig. Sie freue sich, beim Jubiläum der BAGFW dies auch nochmal vor hochrangigen Politiker*innen artikulieren zu können. Astrid Leicht nutzte die Gelegenheit, um daran zu erinnern, dass oftmals in Parlamenten beschlossene Gesetze zur Drogenpolitik wenig mit der Realität der Abhängigen zu tun hätten. Hier wünsche sie sich mehr Fingerspitzengefühl. „Ich wünsche mir, dass das, was die Fachwelt sagt, in der Politik nicht nur gehört, sondern auch umgesetzt wird“, so Leicht.
Außerdem konnte die Geschäftsführerin von der verständnisvollen Nachbarschaft in den Brennpunkten, die sich natürlich auch an Hinterlassenschaften der Konsumierenden stören, aber gleichzeitig auf Verständnis aufbrächten für deren prekäre Situation. Hier sei es für Projekte wie Fixpunkt eine Aufgabe, im Austausch zu bleiben.
Damit endete der offizielle Teil der Feierlichkeiten und man ging zum gemütlichen Part über Am Buffet und bei Getränken in lockerer Runde war man sich einig: Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege muss auch ihren 200. Geburtstag feiern. Mindestens.