Der Kneipp-Bund, Deutschlands größte gemeinnützige Gesundheitsorganisation, setzt sich leidenschaftlich für das ganzheitliche Gesundheitskonzept nach Sebastian Kneipp ein, das allen Bevölkerungsschichten zugänglich sein soll. Dies wird durch 500 Kneipp-Vereine und 700 zertifizierte Einrichtungen umgesetzt. Im Interview mit Christina Haubrich, Präsidentin des Kneipp-Bundes e.V., erfahren wir mehr über die Einbindung Betroffener und wie finanzielle Unterstützung die Präventionsarbeit stärken kann.

Christina Haubrich, Präsidentin des Kneipp-Bundes e.V.

Was macht die gemeinnützige Arbeit des Kneipp-Bundes besonders?

Als größte nicht kommerzielle Gesundheitsorganisation in Deutschland setzen wir uns dafür ein, dass das ganzheitliche Gesundheitskonzept, das auf Sebastian Kneipp zurückgeht, möglichst vielen Menschen, unabhängig von Alter, Bildung oder sozialem Status, zugänglich gemacht wird. Das erreichen wir unter anderem dadurch, dass wir rund 500 Kneipp-Vereine haben, die dieses wertvolle Gesundheitswissen um die fünf Kneippschen Elemente: Wasser, Ernährung, Bewegung, Heilpflanzen und Lebensordnung vor Ort weitergeben und vermitteln. Das Kneippsche Gesundheitskonzept wird in 700 zertifizierten Einrichtungen, darunter auch Kindertagesstätten und Senioreneinrichtungen, gelebt und praktiziert. Denn ganzheitliche Gesundheitskompetenz ist das Fundament für ein gesundes Leben.  

Wie beziehen Sie Betroffene in Ihre Arbeit ein?

Das Angebot ist bewusst niederschwellig angelegt, sodass es für unterschiedliche Zielgruppen in geeigneter Weise vermittelt werden kann. Zum "Kneippen" benötigt man keine teure Ausstattung und es ist nahezu überall durchführbar. Das macht es so einzigartig und durch die ganzheitliche Kombination der fünf Kneippschen Elemente auch so wirkungsvoll. Alle Menschen sollen die Möglichkeit zu aktiver, auf ihre Bedürfnisse individuell zugeschnitten Gesundheitsförderung und Prävention haben.

Die Podiumsdiskussion auf der 125-Jahrfeier des Kneipp-Bundes

Welche Herausforderungen haben gemeinnützige Einrichtungen, wie der Kneipp-Bund derzeit?

Auf das hohe ehrenamtliche Engagement, das die Vorstände und die freiwilligen Helfer*innen in unseren Kneipp-Vereinen mit viel Herzblut einbringen, können wir uns auch in diesen Krisenzeiten verlassen. Sie sind unsere Basis und sie leisten unverzichtbaren Beitrag zum sozialen Miteinander und Zusammenhalt. Allerdings wird in finanziell schwierigen Zeiten jede Ausgabe abgewogen und das betrifft auch die Vereinsmitgliedschaften. Darüber hinaus sind auch die bürokratischen Anforderungen im Zusammenhang mit der Vereinstätigkeit zum Teil so hoch geworden, dass wir oftmals keine Menschen mehr finden, die so eine anspruchsvolle Aufgabe übernehmen wollen.

Was kann zur Stärkung von gemeinnützigen Organisationen beitragen?

Der Schlüssel liegt in der finanziellen Förderung der gemeinnützigen Einrichtungen im Gesundheitssektor. Um sich wirklich solide aufstellen zu können, bedarf es Förderungen in vielen Bereichen, von der Öffentlichkeitsarbeit bis hin zur Forschung.

Aus meiner Sicht sollte die Bedeutung von gemeinnützigen Einrichtungen für das Gesundheitswesen von der Politik mehr wahrgenommen werden. Es müssen die finanziellen und strukturellen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die vielen ehrenamtlich Aktiven in den Vereinen auch in Zukunft weiterkommen und nicht an Stellenwert verlieren. Denn wie wichtig Prävention und Gesundheit sind, das haben uns ja die letzten Jahre in der Pandemie wirklich zur Genüge gezeigt.

Braucht es Ihrer Meinung nach einen Vorrang gemeinnütziger Dienste und Einrichtungen?

Als gemeinnützige Einrichtung arbeiten wir für die Sache und nicht gewinnorientiert, was Fluch und Segen zugleich ist. Denn durch die Unabhängigkeit von politischen und wirtschaftlichen Interessen bleibt stets unser Hauptanliegen im Fokus. Andererseits fehlen gemeinnützigen Einrichtungen mit ideeller Ausrichtung die finanziellen Ressourcen im Vergleich zu gemeinwirtschaftlichen Anbietern. Beispielsweise müssen Forschungsförderung bei einem Gesundheitskonzept wie unserem, das auf einfachen natürlichen Prinzipien beruht, aus öffentlicher Hand kommen. Die Finanzierung von Forschung auf diesem Gebiet ist sehr wichtig, denn nur so bleibt unsere Lehre auf der Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Die Vereine vor Ort, die wertvolle Dienste der Gesundheitsbildung leisten und die Beiträge dafür minimal halten, sollten natürlich auch finanzielle Unterstützung bekommen, damit Gesundheit nicht von der Größe des Geldbeutels abhängig wird. Dabei ist es enorm wichtig, Bewusstsein zu schaffen für die Bedeutung der gesundheitlichen Prävention. Wir könnten in unserem Gesundheitssystem sehr viel Geld sparen, wenn wir mehr auf Prävention setzen würden. Derjenige, der gar nicht ins Krankenhaus oder zum Arzt muss, weil es ihm gut geht, der belastet auch unser System nicht. Gemeinnützige Organisationen wie der Kneipp-Bund, mit den vielen ehrenamtlichen Helfer*innen, leisten gesamtgesellschaftlich einen wichtigen Beitrag, der auch mehr Wertschätzung verdient.


Mit der Kampagne #EchtGut - Vorfahrt für Gemeinnützigkeit, vermittelt der Paritätische Gesamtverband seit Anfang 2021 das Thema Gemeinnützigkeit. Nach zahlreichen Vorträgen, Publikationen und Informationsmaterial, porträtiert der Verband nun in einer Beitragsreihe soziale gemeinnützige Mitgliedsorganisationen. Wie gestalten, leben und zelebrieren die Organisationen ihre Gemeinnützigkeit? Wie zeigen sich gemeinnützige Strukturen in der Zusammenarbeit mit Betroffenen und Ehrenamtlichen und welchen Herausforderungen und Chancen begegnen gemeinwohlorientierte Einrichtungen in der heutigen Zeit?

Hier können Sie den Steckbrief des Kneipp-Bundes e.V. als PDF herunterladen.

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Autor*in

Portrait von Lilly Oesterreich

Lilly Oesterreich

Lilly Oesterreich ist Projektreferentin für Digitale Kommunikation beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Gesamtverband in Berlin. Sie betreut die Paritätische Mitgliederplattform #WirSindParität.

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