Psychosoziale Zentren leisten für Geflüchtete und die gesamte Gesellschaft eine unschätzbare Aufgabe. Bereits jetzt sind viele an der Belastungsgrenze. Trotzdem werden ihnen immer weiter die Mittel gekürzt.

Mindestens 117 Millionen Menschen waren 2023 aufgrund von Verfolgung, Krieg und Konflikten, Gewalt oder Menschenrechtsverletzungen weltweit auf der Flucht. Das stellte das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) fest. Davon waren 68 Millionen Binnengeflüchtete innerhalb eines Landes. Im Zeitraum der vergangenen 12 Jahre konnte zudem ein jährlicher Anstieg  Schutzsuchender weltweit festgestellt werden. Damit waren im vergangenen Jahr so viele Menschen wie nie zuvor auf der Flucht.

Bei etwa einem Drittel der erwachsenen Schutzsuchenden ist die Gefahr von posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen oder Angstzuständen gegeben. Um die schwerwiegenden Erfahrungen der Flucht zu verarbeiten und das Ankommen in der neuen Umgebung zu erleichtern, besteht ein hoher psychosozialer Unterstützungsbedarf für geflüchtete Menschen.

Die Arbeit der Psychosozialen Zentren (PSZ) in Deutschland

In Deutschland leisten Psychosoziale Zentren (PSZ) seit den 80er Jahre bundesweit psychosoziale Unterstützung und Psychotherapie für Geflüchtete.  Sie verfolgen einen ganzheitlichen, menschenrechtsorientierten Ansatz. Multidisziplinäre Teams, bestehend aus z.B. Psychotherapeut*innen und Sozialarbeiter*innen, begleiten und beraten zusammen mit speziell ausgebildeten Sprachmittler*innen von der Phase des Ankommens bis hin zur Traumabewältigung. Der ganzheitliche Ansatz sieht dabei zahlreiche Leistungen vor. Dies reicht von der Diagnose über Therapien bis zur sozialen und rechtlichen Beratung. Alle Maßnahmen erhöhen die Teilhabechancen Schutzsuchender in ihrer Umgebung und auf dem Arbeitsmarkt. Die Praxis der PSZ zeigt, dass durch die Breite des Angebots, v.a. auch durch den Einsatz von Sprachmittlern, gezielt geholfen werden kann. Dazu hat das PSZ Dresden „das BOOT“ ein anschauliches Video erstellt.

Angebote der psychosozialen und psychotherapeutischen Unterstützung sind in Deutschland leider weder ausreichend noch flächendeckend vorhanden. Oft sind es die PSZ, die hier wichtige Lücken schließen. Zusätzlich zur allgemein schlechten Versorgungslage bei der psychosozialen und psychotherapeutischen Unterstützung ist es für Geflüchtete noch schwieriger, notwendige Hilfe zu erhalten. In den ersten 36 Monaten ihres Aufenthaltes in Deutschland ist eine Versorgung gemäß Asylbewerberleistungsgesetz beschränkt. Psychotherapie wird in der Regel nicht gewährt. Die häufige Folge sind fehlende, zu späte oder wenig wirksame Behandlungen und Hilfeleistungen. Das führt zu einem großen Leid bei Betroffenen und erschwert die Integration. Zudem können die Krankheiten chronisch werden und zu hohen Folgekosten  für das Gesundheitssystem führen.

Finanzierung

Im Paritätischen Gesamtverband sind 23 Psychosoziale Zentren organisiert (weitere Informationen zu den einzelnen Trägern finden Sie hier), die über das „Bundesprogramm Beratung und Betreuung ausländischer Flüchtlinge“ (Bundesflüchtlingsprogramm) gefördert werden.

Trotz der Tatsache, dass in den vergangenen drei Jahren ca. 2 Millionen geflüchtete Menschen nach Deutschland gekommen sind, wurde das Bundesflüchtlingsprogramm im Jahr 2024 um 4,4 Millionen Euro gekürzt. Der aktuelle Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2025 sieht weitere dramatische Kürzungen um fast 50 Prozent vor. Diese gehen nicht nur zu Lasten der Zielgruppe und der Mitarbeitenden vor Ort, sondern gefährden auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. Denn schon jetzt können die PSZ der hohen Nachfrage nicht ausreichend gerecht werden. Die Wartelisten der einzelnen Zentren sind seit Jahren lang. Immer wieder müssen PSZ ihre Wartelisten schließen, da sie eine Behandlung aus Kapazitätsgründen nicht in Aussicht stellen können. Es kann nur eine Schlussfolgerung geben: Nicht Kürzungen, sondern eine Erhöhung der Mittel und eine längerfristige Finanzierung sind demnach dringend geboten, um die kontinuierliche Arbeit der PSZ gewährleisten zu können und den Abbruch von Therapien sowie den Verlust von qualifiziertem Fachpersonal zu vermeiden!

Um auf die dramatische Situation der Psychosoziale Zentren und auf die Bedarfe anderer Migrationsfachdienste, wie der Asylverfahrensberatung und der Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte, aufmerksam zu machen, rufen die Verbände der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) zu einer Aktionswoche für die Bundesprogramme im Bereich Migration und Flucht auf.  Die Aktionswoche findet vom 16. - 20. September 2024 statt und verfolgt das Ziel, über die Leistungen der Psychosoziale Zentren zu informieren, ihre gesellschaftspolitische Relevanz und ihren Beitrag in Netzwerken des Gemeinwesens aufzuzeigen sowie auf die Notwendigkeit einer bedarfsgerechten Finanzierung hinzuweisen. 

Autor*in

Portrait von Marta Bociek

Marta Bociek

Marta Bociek ist Referentin für Humanitäre Auslandshilfe und Internationale Kooperation beim Paritätischen Gesamtverband.

Alle Artikel

Ähnliche Beiträge